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02. März 21

So machen Sie Ihre Organisation fit für die Virtualität

Welche Möglichkeiten und Praktiken gibt es, das Organisationsdesign verstärkt auf das Arbeiten in der Virtualität auszurichten?

Viele Organisationen wurden durch die Covid-19 Pandemie "über Nacht" gezwungen, sich virtuell aufzustellen. Aus individueller Sicht bedeutet das oftmals unfreiwillige Arbeiten im "Homeoffice", fehlende soziale Kontakte und informelle Abstimmung. Führungskräfte werden zusätzlich mit deutlichen Einschränkungen in der Steuerbarkeit, gefühltem Kontrollverlust und Sorge über emotionales und soziales Auseinanderdriften von Teams konfrontiert. Gleichzeitig wird vielfach über deutliche Effizienz- und Effektivitätssteigerungen berichtet. Und man stellt sich darauf ein, dass auch nach einer Aufhebung der pandemiebedingten Einschränkungen so einiges beibehalten werden soll. Zahlreiche Organisationen werden sich künftig mit ziemlicher Sicherheit virtueller präsentieren. Wir haben uns deshalb gefragt: Wie kann man sich darauf in der "Konstruktion" von Organisationen einstellen? Und wie lassen sich die Chancen nutzen, die in einer vielfach notwendigen Neuaufstellung liegen?

Mit unseren Überlegungen gehen wir hier - lose - entlang des osb-i Modells für Organisationsdesign vor und nutzen dabei sowohl aktuelle Befunde als auch langjährige Erfahrungen insbesondere von komplett "remote" aufgebauten Organisationen.


Flache Strukturen erweisen sich als vorteilhaft

Startpunkt für die Gestaltung von Organisationen sind die Strukturen, die spezifische Logik der Arbeitsteilung. Obwohl das zentrale Erfolgskriterium weiterhin die Passung zur Strategie bleibt, sind Organisationen, die bereits "vor Corona" auf flache und breite Strukturen mit geringerer operativer Führungsintensität gesetzt haben, nun im Vorteil. Als zweites strukturelles Element zur Verbesserung der Virtualitätsrobustheit lassen sich gut funktionierende Arbeitsteams nennen. Dort, wo laterale Unterstützung qua Übung und Arbeitsauftrag bereits Standard war, wird dies auch im virtuellen Raum weitergeführt. Eine hierarchiebetonte und unverbundene Arbeitsorganisation von Spezialisten neigt aktuell stärker zum Auseinanderdriften.

Wo Strukturen die Arbeitsprozesse trennen, sind gleichzeitig Verknüpfungsmechanismen zu gestalten, um den Informationsfluss und die übergreifende Koordination zu gewährleisten. Die aktuelle Situation hat einen deutlichen Schub des Einsatzes von agilen Formaten bewirkt, beispielsweise von virtuellen "Stand-up" Meetings als Möglichkeit zu kurzen und kurzzyklischen Abgleichen. Beobachtbar ist auch eine bewusste Intensivierung horizontaler Koordination durch die Einrichtung spezieller Koordinationsrollen (z.B. für das coronaspezifische Steuern knapper Ressourcen, des Produktionsnetzwerks, von HR Themen etc.). So manche dieser Umstellungen wäre sicherlich auch unter normalen Umständen sinnvoll gewesen, aktuell ist der Nutzen nur noch sichtbarer - und der Widerstand gegen laterale Koordination geringer. Ergänzt wird dies durch eine manchmal durchaus radikale Veränderung im Umgang mit Information.


Wichtig: Transparente Informationsverfügbarkeit und selbstorganisierte Informationsaufnahme

Virtuelles Arbeiten ist dezentrales und asynchrones Arbeiten. Das funktioniert dort gut, wo die notwendigen (Kontext-)Informationen für die eigene Arbeit gut dokumentiert, transparent und leicht verfügbar sind. Nicht zufällig boomen Instrumente wie OKR (Objectives und Key Results), die eine transparente und laufend aktuell gehaltene Zielelandschaft und entsprechende Umsetzungsprojekte und Umsetzungsstände ermöglichen. Voraussetzung ist allerdings auch eine Kultur, bei der Information eher als Hol- denn als Bringschuld gesehen wird. Nur in dieser Kombination von transparenter Verfügbarkeit und selbstorganisierter Informationsaufnahme sind Organisationen auch in der Virtualität hoch leistungsfähig. Führungskräfte sind daher aktuell gut beraten, wenn sie solche Systeme und Kulturveränderungen aktiv betreiben. Der Preis dafür ist freilich, dass sie auch sich selbst in ihrer individuellen Performance stärker beobachtbar machen.

Es ist vermutlich kein Zufall, dass die meisten "Remote Only" Unternehmen - also Firmen, die von vornherein keine fixen Büroflächen haben - Softwarefirmen sind (z.B. Zapier oder GitLab) oder sogar auf Software für dezentrales Arbeiten spezialisiert sind (z.B. Basecamp). Erfolgreiche Softwareunternehmen sind Meister in dezentraler selbstorganisierter Arbeit und laufender präziser Dokumentation von Zwischenständen und Ergebnissen. Sie waren zudem oft frühe Nutzer agiler Arbeitsformen. Arbeitsprozesse virtualitätsfit zu machen bedeutet heute u.a., Dokumentationsstandards deutlich zu erhöhen, ohne dabei in Bürokratie zu verfallen. Arbeitsprozesse mit höheren Dokumentationsstandards können leichter virtuell umgesetzt werden (neben Software-Unternehmen gilt das z.B. regulierungsbedingt für Finanz- oder Pharmafirmen).


Die menschliche Seite der Virtualisierung nicht vernachlässigen

Personalsysteme an die aktuelle Zeit anzupassen, ist auch eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung (Stichwort: gesetzliche Homeoffice-Regelungen). In Organisationen ist es der seit langem bekannte Stellhebel professioneller Leistungsverabredungen und Feedbackmechanismen, der am stärksten wirkt. Dazu gehören agile Vereinbarung von Zielen ebenso wie Feedback-Kompetenz im kollegialen Netzwerk. Individuell durften wir in den unzähligen Video-Calls der letzten Monate vermutlich stärker als je zuvor die menschliche Seite unserer Kolleg*innen erleben. Kinder, Katzen, kleine Katastrophen aller Art ragten plötzlich in unsere Geschäftstermine hinein. Führungskräfte und Kolleg*innen, die dabei menschliche Zugewandtheit und Verständnis aufbringen konnten, haben mehr bewirkt als andere.

Last, but not least: Infrastruktur. Wie wichtig gut funktionierende (IT-gestützte) Kollaborations- und Kommunikationstools sind, muss im Jahr 2021 nicht mehr gesagt werden. Abzuwarten bleibt, welche Rückwirkungen auf andere Organisationsdesignelemente die rasant voranschreitende Integration der gemeinschaftlichen und individuellen Arbeitsprozesse in umfassende technische Plattformen haben wird. Ob Microsoft 365, Google oder andere Plattformen - die Integration von Mail, Kalender, Planung & Umsetzungsmonitoring etc. wird Neues ermöglichen. Wie die damit einhergehenden Überwachungs- und Kontrollmöglichkeiten in eine sinnvolle Balance von Unternehmensinteresse und Schutz des Individuums zu bringen sind, ist eine offene Frage.

P.S. Danke an meine Kolleg*innen Janina Reitschmied und Alexander Schmidt, mit denen ich eine frühere Fassung dieser Beobachtungen und Thesen im Rahmen unseres osb Wien Business Breakfast im Dezember 2020 vorgestellt habe.

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