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26. Juli 22

Zielbildframes für die Kulturentwicklung nutzen

Wir haben in unseren Veröffentlichungen immer wieder Fragen zur Unternehmenskultur thematisiert. So zuletzt in einer Differenzierung der grundlegenden Varianten der Kulturentwicklung oder im Bericht zu einem Transformationsprojekt.

Hier skizzieren wir eine Variante der Gestaltung eines Kulturzielbildes, wie wir sie gerade in einem Projekt für eine international renommierte Institution der Gesundheitsversorgung und Spitzenmedizin umsetzen.

Vorab weisen wir darauf hin, dass für die Arbeit an der Unternehmenskultur drei Aspekte sorgfältig auseinandergehalten und betrachtet werden sollten.

  1. Die Schauseite als explizite "Fassade" der Organisation
  2. Die formale Seite der Zielsysteme, Strukturen, Rollen und Prozesse
  3. Die Organisationskultur als die informale Seite einer Organisation mit ihren intransparenten Kommunikations- und Entscheidungspfaden

Als Problem erweist sich oft, dass in der Praxis Veränderungen von Organisationen fragmentiert gestaltet werden: PR-Berater*innen kümmern sich um die Schauseite der Außendarstellung, Fachberatungen sind zuständig für die formalen Programme (Prozesse und Abläufe) sowie die Kommunikationswege und systemische Prozessberater*innen sollen dann für die passende Kultur der Organisation sorgen (Kühl, Ibold, Matthiesen, 2018).

Vor allem die Veränderungen an den Formalstrukturen ziehen naturgemäß bedeutende kulturelle Entwicklungen nach sich. In großen Transformationen braucht es aber meist eine lange Zeit, bis die Entscheidungen dafür getroffen und umgesetzt werden.

Nun wirkt die Unternehmenskultur als unentscheidbare Entscheidungsprämisse (N. Luhmann) auf alles ein und lässt sich nicht direkt beeinflussen. Allerdings kann gewünschte Unternehmenskultur über Kommunikation vorausschauend angebahnt werden. Hier setzen wir an.

Welchen Sinn macht die Arbeit an einem Kulturzielbild?

Ein kulturelles Zielbild schlägt einen orientierenden Rahmen über die Projektvielfalt der aktuellen Veränderungsinitiativen, die allzu häufig unverbunden sind und trägt so dazu bei, einen übergreifenden Sinn für die Summe der Bewegungen herzustellen.

Es werden attraktive Zukunftsbilder und -perspektiven geschaffen, die an die aktuellen Prozess- und Strukturprojekte ankoppeln und deren kulturelle Implikationen vorausschauend kommunizier- und bearbeitbar machen.

Eine Wirksamkeit im Ganzen entsteht, wenn die Strukturfragen Zug um Zug gelöst werden und das kulturelle Zielbild einen Beitrag zum Gesamtrahmen der Kommunikation leistet.

Mit Hilfe eines kulturellen Zielbildes lassen sich auf der Strecke erste Änderungen in Struktur, Haltung und Verhalten auch im konkreten Tun vor Ort realisieren. Das gelingt zudem experimenteller, spielerischer und vor allem früher als es über die Fachprojekte angesichts der Entscheidungsbedarfe möglich wäre – selbst wenn noch nicht alle strukturellen Fragen gelöst sind.

Voraussetzung dafür ist ein deutliches Commitment der obersten Führungsebene zu diesem Kulturzielbild und eine integrierende Kommunikation, die Struktur- und Kulturfragen miteinander in Verbindung setzt.

Wie sieht unsere praktische Arbeit mit Zielbildframes aus?

Framingansätze werden u.a. in der Politik und der Werbebranche genutzt, um die Aufmerksamkeit auf bestimmte Narrative zu lenken. Kommunikator*innen setzen dabei ihre Informationen in einen gewünschten Deutungsrahmen, um Stimmungen und gemeinsame Bilder zu verbreiten (Oswald, 2019).

Wir wollen vor allem weg von der Idee eines komplett integrierten Kulturzielbildes, welches in seinen Formulierungen häufig auswechselbar und beliebig erscheint. Die Aufteilung auf Zielbildaspekte (im Sinne von Kommunikationsframes) reduziert zunächst die Komplexität für die Beschreibung des Zukunftsbildes. Einzelne Aspekte werden besser wahrnehmbar und lassen sich in der weiteren Kommunikation differenzierter ausbauen.

Wie gehen wir hier vor?

  • Zunächst erarbeiten wir mit einer relevanten Gruppe interner Akteur*innen (Führungsteam, Projektteams, Schlüsselpersonen) eine Reihe von Aspekten, die die zukünftige Zielkultur unbedingt widerspiegeln sollte. Dabei greifen wir in der Regel auf vorhergehende Analysen, Workshop- und Tagungsergebnisse zurück (Beispiel für einen Frame: Wir arbeiten interprofessionell, interdisziplinär und vernetzt)
  • Für diese Frames werden konstituierende Bedingungen analog der Systematik für das Mapping und die Beschreibung von kollaborativen Arbeitsformen definiert und vergemeinschaftet (Akteure, Form und Ziel der Zusammenarbeit, beobachtbares Verhalten, Werthaltungen und unterstützende Systeme)
  • In einem nächsten Schritt werden daraus orientierende Stories entwickelt: Was stünde in einem Zeitungsbericht 2027 in der "XY-Zeitung" zur Kultur des Hauses in diesem Zielbildframe?
  • Zusätzlich wird jeder dieser Zielbildframes durch Best Practices ergänzt, die im Hause schon jetzt in der gewünschten Hinsicht zu beobachten sind. Dabei ist es wichtig, dass sich alle Sparten bzw. Organisationsteile durch diese Beispiele angesprochen fühlen.

Und dann: Konkrete Prozesse oder lokale Initiativen als Startpunkt für die Weiterentwicklung der Unternehmenskultur nutzen

Die Stories auf Basis der vorab beschriebenen Zielbildframes, idealerweise hinterlegt mit Best Practices, lassen sich in einem nächsten Schritt lokal an bereits laufende Initiativen ankoppeln. Die Leitfrage dabei: Was kann schon morgen getan werden, um eine Entwicklung in Richtung dieser Zielbilder zu befördern?

Abb. 1: Vorgehensmodell

Wir empfehlen, erste Kulturworkshops in den Pilotteams der neu entwickelten Strukturen oder Prozesse durchzuführen und dieses Angebot im Anschluss zunächst als Option für alle interessierten Einheiten anzubieten. Im Ergebnis entstehen konkrete Maßnahmen, meist zur Schaffung der kommunikativen und kollaborativen Rahmenbedingungen für die Umsetzung der jeweiligen Initiative. Im besten Fall entfaltet sich ein virales Vorgehen, in dem viele Einheiten diesen Prozess aufgreifen.

Literaturhinweise

Kühl, S.; Ibold,F.; Matthiesen, K.(2018): Den Wandel richtig managen, HBM 3, 2018
Lewrick, M. & Palai, D. (2021): Business Ökosystem Design: Ein Paradigmenwechsel in der Gestaltung von Geschäftsmodellen und Wachstum. Vahlen.
Oswald, M. (2019): Strategisches Framing: Eine Einführung. Springer.

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