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26. Juli 22

Hybride Arbeitswelt - vom Buzzword zur effizienteren Arbeitsorganisation

Anregungen zur Prozessgestaltung

Hybride Arbeitswelt bedeutet an sich nur, dass Mitarbeitende (mindestens zwei) zur gleichen Zeit in Präsenz im Büro sind und mit Mitarbeitenden außerhalb des Büros digital zusammenarbeiten. Ein typisches Beispiel dafür ist eine Besprechung an unterschiedlichen Arbeitsorten zur gleichen Zeit. In der hybriden Arbeitswelt ist es dem einzelnen Mitarbeitenden auch möglich, mal hier und mal dort zu sein: Also an unterschiedlichen Orten zu unterschiedlichen Zeiten zu arbeiten.

Beides - sowohl das Arbeiten in Präsenz im Büro wie auch das mobile Arbeiten – kennen wir spätestens seit Corona gut. Pandemiebedingt haben wir durchaus auch Erfahrung mit einer Mischung aus beidem gemacht, soweit diese nötig und möglich war.

Die Lehren aus Coronazeiten: Nützlich und wertvoll, aber nicht ausreichend

Wieso sollte es dann schwierig sein, den Weg in die hybride Arbeitswelt erfolgreich und effizient "einfach so" zu schaffen?
Weil eine hybride Arbeitswelt langfristig mehr und andere Herausforderungen bereithält als jene, denen sich Organisationen in der Pandemie stellen mussten. In der Ausnahmesituation konnte "vom Speck der früheren Präsenzzeit" gelebt werden. Es war möglich auf den Fundus des Wissens, des sozialen Zusammenhalts, der Identität mit dem Arbeitgeber usw. zurückzugreifen.

Weder die Fortschreibung der alten Präsenzwelt noch die ebenso naive Fortschreibung der Corona-Arbeitswelt wird den Herausforderungen der hybriden Arbeitswelt gerecht. Es gilt, Neues zu gestalten und dabei Sinnvolles aus den bekannten Welten in die neue, hybride Arbeitswelt zu integrieren - neu in der Ausgestaltung, aber allzu bekannt in den Themenfeldern.

Die osb-i New Work-Landkarte als Wegweiser

Schon vor Corona sind unter dem Begriff New Work Optionen für eine neue Arbeitswelt in Theorie und Praxis entwickelt worden. Die osb-i "New Work-Landkarte" /"Ich war noch niemals in New Work" systematisiert die mit New Work und damit auch für die Ausgestaltungsform der hybriden Arbeitswelt einhergehenden Handlungsfelder. Die Richtung zeichnete sich schon vor der Pandemie ab, Corona wirkte allerdings als "Brandbeschleuniger".

Wir nutzen die New Work-Landkarte als Hintergrundfolie in unseren Projekten zur hybriden Arbeitswelt. Nicht als starre Umsetzungsblaupause, sondern um die Handlungsnotwendigkeiten der jeweiligen Organisation für ihre Transformation in das Hybride zu identifizieren und zu spezifizieren. Wir fragen danach, in welchen Themenfeldern welcher Handlungsbedarf besteht. Denn Organisationen unterscheiden sich (auch) darin, wie weit sie in die hybride Arbeitswelt eingetaucht sind und wo sie hinwollen und können.

3 Bausteine formen die hybride Arbeitswelt

Während die Landkarte auf inhaltliche Felder einzahlt, haben sich im Prozess um die Ausgestaltung der Form des hybriden Arbeitens die Bausteine Design, Aushandlung und Lernen in der Praxis bewährt. (Siehe dazu den Artikel in diesem Newsletter Hybrid Work: Gemeinsam produktiver arbeiten von Heiko Hilse)

Design

Welche Zielsetzungen wollen wir wählen? Hier wird herausgearbeitet, "was" mit dem hybriden Arbeiten erreicht, aber auch vermieden werden soll. Hilfreich ist dabei die pragmatische Unterteilung in die Ebenen Organisation, Team und Mitarbeitende.

Sinnvoll ist es, schon in dieser Phase Vertreter aller "Zielgruppen" zu beteiligen: Arbeitgeber*innen, Führungskräfte, Mitarbeitende, Arbeitnehmer*innenvertretungen. Es gilt, ein weites Feld in den Blick zu nehmen, von den Bedürfnissen der Organisation, z.B. Produktivität über die teamorientierten Anliegen zu friktionsfreien Abläufen und sozialer Gemeinschaft bis zur individuellen Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben.

Aushandlung

In diesem Schritt suchen wir Antworten auf die Frage: "Womit können wir unsere Ziele erreichen?"  Den Unterschieden in Alltag und Aufgaben der Teams einer Organisation gerecht zu werden und gleichzeitig mit allgemein gültigen Elementen der Anforderung nach Fairness zu entsprechen, kann mit zentralen und dezentralen Vereinbarungen gelingen.

Zentrale Vereinbarungen gelten für die gesamte Organisation und betreffen z.B. maximale Mobilquote, Nutzung von Flex Office-Räumen oder Ausstattung für mobiles Arbeiten. Ebenso fallen darunter Mindest-Qualifizierungsanforderungen für Führungskräfte und Mitarbeitende, um für die neue Arbeitswelt gerüstet zu sein.

Was ein Team (als Organisationseinheit, aber auch als temporäre Zusammenarbeitsform) selbst benötigt, findet in dezentralen Vereinbarungen Eingang: Eine Team Charta oder ein Hybrid Commitment.
Hier wird deutlich, dass hybrides Arbeiten eine andere (sichtbarere und nachvollziehbarere) Art von Transparenz braucht. Beispielhaft dafür ist etwa die Klärung gegenseitiger Kalendereinsicht als Basis für physische Treffen, um zu erkennen, wer wann wo ist. Auch in der Arbeitsorganisation braucht es andere Formen der Dokumentation und Ablage, um Arbeitsfähigkeit für alle und jederzeit zu sichern. Oder es müssen Absprachen getroffen werden, welche Meetings in Präsenz, mobil oder hybrid (und das ggf. abwechselnd) stattfinden. Ebenso gilt es, Vertretungsregelungen oder Etiquettefragen (Kamera an/aus, Wortmeldungen ...) für digitale Besprechungen zu vereinbaren. Alles mit dem Ziel, das im hybriden Arbeiten steckende Konfliktpotenzial durch Klärung und Orientierung zu reduzieren und Produktivität mindestens zu sichern.

Lernen

"Ausprobieren vor Betonieren". So kann die Leitidee für die Transformation in die hybride Arbeitswelt formuliert werden. Statt also direkt mit zäh endverhandelten und daher oft mittelfristig starren Betriebsvereinbarungen ins Rennen zu gehen, können Vereinbarungen, zentrale wie auch dezentrale, zunächst in einem organisationalen Lernprozess modelliert werden. Sie werden über einen definierten Zeitraum auf den Prüfstand der Alltagstauglichkeit gestellt, bevor sie zum Festkörper des betrieblichen Regelungsrahmens werden. Da wirkliches hybrides Arbeiten – als Regelbetrieb – oftmals noch Neuland ist, rentiert sich dieser Lernprozess, um mögliche Produktivitätsverluste und Fehlinvestitionen durch unangemessene Regeln, Qualifizierungen, technische Ausstattung oder innere Kündigungen in Betracht zu ziehen.

Ein Lernprozess ist allerdings kein Selbstläufer: Er braucht Elemente von Feedback und Review sowie das Rückgrat für Veränderungen, wenn daraus kein Glaubwürdigkeitsproblem hervorgehen soll.

Für die dezentralen Vereinbarungen liegt die Verantwortung in den Händen der Teams, die ihre TeamCharta bzw. HybridCommitments geschlossen haben. In der "Probezeit“ sollten diese regelmäßig vom Team diskutiert und ggf. angepasst werden. Aus dem übergreifenden Austausch zwischen Führungskräften (z.B. über Dialogplattformen und Sharing von good practices) können in diese Teamreviews gute Impulse einfließen.

Die Passung zentraler Vereinbarungen kann gut über die Formate Mitarbeitendenbefragung (kurz vor Ende der z.B. sechsmonatigen Probezeit) und Führungskräfteaustausch überprüft werden. Hier können aber auch verschiedene Auswertungen betrachtet werden, wie z.B. zu Veränderungen von Pausenlängen und -lagen, Krankheitsständen, Produktivitätskennzahlen – jeweils aggregiert und ohne individuelle Leistungsindikation etc.)

Welches Format in welcher Taktung und Abfolge Anwendung findet, wird in einer kurzen Feedback & Review Architektur festgehalten.

Eine solches Vorgehen fordert einer Organisation eine gewisse Flexibilität - oder einfach Lernbereitschaft - ab und ist nicht ohne Risiko: Zeigt das Lernen, dass die Zielsetzungen des Designs neu aufgerollt werden sollten, sind davon auch die Ergebnisse vorheriger Aushandlungen betroffen, das "was" muss eventuell neu definiert werden.

Vereinbarungen, auch z.B. zur Mitbestimmung, müssen neu verhandelt werden, weil die Zielsetzungen über andere, "womit" Optionen besser erreicht werden können.

Was de facto eine Iterationsschleife im organisationalen Lernen ist, kann als Rolle rückwärts oder gar Desorientiertheit wahrgenommen werden.

Daher ist der Erfolg dieses Changes in eine hybride Arbeitswelt stark ab hängig von der Transparenz im Prozess, aber genauso von der Transparenz über den Prozess – bei allen Beteiligten.

Dann kann er gelingen und bereichert die Organisation ... so unsere Erfahrung.

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