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18. Juli 23

Die Wirkung multisensualer Settings für Veränderungen nutzen

Veränderungen, egal welche Ursachen oder Motive ihnen zugrunde liegen, kämpfen häufig mit der Herausforderung angemessene Zielbilder zu beschreiben. Wohin geht die Reise? Was kommt am Ende heraus? Worauf lassen wir uns persönlich ein?

Dabei ist das Problem mit den Zielbildern selten darin begründet, dass es sie nicht gibt. Viel eher liegt es daran, dass sie bei der Zielgruppe nicht hinreichend ankommen und an der Oberfläche der kognitiven Wahrnehmung bleiben, flüchtig wie treibendes Laub im Fluss des operativen Geschehens.

Die Herausforderung liegt also darin, dass Zielbilder "begriffen" werden müssen, um in einem nächsten Schritt akzeptiert und schließlich zu eigenen Zielbildern gemacht werden zu können. Idealerweise entfalten sie dann sogar Antriebsenergie. Erst so erfüllen sie ihren eigentlichen Zweck und werden vom abstrakten Bild/Zielbild zur gelebten Realität.

Die Aufgabe diesen Prozess wirksam zu unterstützen, fordert nicht nur die Fantasie im Leadership heraus, sondern kann auch die Change-Kommunikation erschweren. De facto stellt sie dafür einiges zur Verfügung – in der verbalen Kommunikation, wie auch in den Formaten der non-verbalen Kommunikation. Dabei muss "non-verbal" nicht auf Visualisierungen von Inhalten beschränkt sein, sondern kann umfänglicher, nämlich sinnesorientiert sein und einen Zielzustand hörbar oder haptisch fühlbar zu machen.

Das ist bei organisationalen Änderungen nicht ganz einfach. Denn wie fühlt sich z.B. ein Strategiezielbild an? Oder welches haptische Erlebnis ist mit einer Restrukturierung verbunden? Schwierig. Was kann man also tun, um die Wirksamkeit non-verbaler Kommunikation nicht ungenutzt zu lassen?

Multisensuale Settings kreieren und in einen Bezug zu den Zielbildern setzen

Multisensuale Settings bedienen unterschiedliche Sinneswahrnehmungen. Basis ist dabei ein Analogiebild. Wer hat sie nicht bereits verwendet? Ob unter dem Titel des Storytellings oder einfach, weil es sich situativ angeboten hat eine Metapher einzubringen. Die Wirksamkeit ist unumstritten, aber dieses Instrument ist primär noch immer verbal (durch Einsatz von Körpersprache und Stimmmodulation der Erzähler*innen). Wichtig an diesen Bildern ist, dass sie "innere Bilder" bei den Rezipienten erzeugen, die abseits der organisationalen Realität liegen. Also neutral, im Sinne von unabhängig vom realen Zielbild, Wahrnehmungsqualitäten besitzen um vor dem inneren Auge betrachtet werden zu können.

Über die verbal erzeugten inneren Bilder entstehen dann oftmals bereits über das Visuelle hinausgehende "innere" akustische, olfaktorische, haptische und geschmackliche Erinnerungs-Wahrnehmungen. Damit ist man bereits mitten in einer multisensualen Wahrnehmungswelt.

Um effektive innere Bilder zu erzeugen, sind ein paar Gestaltungskriterien zu berücksichtigen:

  • Die Lebendigkeit, kulturelle Einordnung und Komplexität des Bildes sind ebenso entscheidend wie sein Bekanntheitsgrad und die individuelle psychische Distanz zu ihm.
  • Die Treffsicherheit des inneren Bildes für die Zielgruppe bestimmt die emotionale Wirkung wie auch die aus den emotionalen Gedächtnisbildern hervorgehende Wirkung auf das Verhalten. Organisationale Veränderungen sind zumeist eng an Verhaltensänderungen geknüpft.
  • Und in einem umfassenden multisensualen Setting gibt es dann noch eine Art Booster: Die Unterstützung der "inneren" akustischen, olfaktorischen, haptischen und geschmacklichen Wahrnehmungen durch reale Erfahrungen – anknüpfend an das innere Bild.

Beispiel aus der Praxis

Eine Strategieveranstaltung wird mit einem Impulsvortrag gestartet. Nichts Ungewöhnliches. Das Bild einer Bergexpedition wird in dem Vortrag entfaltet. Die Zuhörer*innen entwickeln innerlich das Bild, Teil des Expeditionsteams zu sein. Sie können die Teamstrukturen, das Handling des Equipments, die Anstrengung und Atemnot, die Gipfelfreude etc. innerlich miterleben – multisensual unterstützt durch bunte Bilder an der Wand des sonst so öden Veranstaltungsraumes.

Der Vortrag ist beendet und alle sind begeistert. Es folgt der Übergang zum Kernthema der Veranstaltung. Nun öffnet sich die (Berg-)Spalte, in die die Wirkung des Impulsvortrages abzustürzen droht. Denn fehlt der explizite Transfer der inneren Bilder in die reale Wirklichkeit, wird die Wirkung des Impulsvortrages sehr schnell nivelliert. Manchmal gelingt der explizite Transfer durch den gemeinsamen Diskurs über Analogieziehungen: Das Team am Berg ... das Team in der Organisation, Vorgehensmethoden am Berg ... Vorgehensstrategien etc.
Der Diskurs ist beendet. Die Analogien sind in den Hinterköpfen verankert. Aber oft bleiben die inneren Bilder während der weiteren Veranstaltung im verschlossenen Rucksack.

Hier kommen dann die weiteren Möglichkeiten multisensualer Settings ins Spiel, nämlich die akustischen, olfaktorischen, haptischen und geschmacklichen inneren Wahrnehmungen um die entfalteten Bilder während der Veranstaltung im Äußeren präsent zu halten. Das ist gar nicht so kompliziert und bedient sich auch bekannter Elemente der non-verbalen Change-Kommunikation.

Aber was heißt das in unserem Praxisbeispiel für unser Veranstaltungsdesign: Bergkost bestimmt den Menüplan (geschmacklich), Musik aus der Bergwelt leitet als Jingle die Arbeit im Plenum (akustisch), Diskussionen zur Zusammenarbeit werden mit der Verknotung von Seilen abgeschlossen (haptisch) und Kommunikationsvereinbarungen werden in bergluftduftenden Proviantlisten für die Organisation dokumentiert (olfaktorisch). Letztlich kleine Dinge, die immer wieder das innere Bild aufrufen, damit mit diesem in der realen Welt, konkret in der Veranstaltung, gearbeitet werden kann. Damit sind multisensuale Settings – über den puren Impulsvortrag hinaus – ein mehrwertstiftendes Werkzeug für organisationale Arbeit.

Als am zweiten Tag der Veranstaltung die Teilnehmer *innen ihre strategischen Initiativen – fernab der vorbereiteten Folienschlacht – mit den Bildern einer Bergexpedition beschrieben, gab es keinen Zweifel mehr an den sonst so abstrakten Studien der Neurowissenschaft: Multisensuale Settings wirken – besonders dann, wenn sie wie ein roter Faden in Veranstaltungen oder Projekten eingewoben sind! Denn diese Settings stoßen unsere Gehirne nochmals anders an. Sie ermöglichen neue Perspektiven durch Distanzierungen von der "realen Sicht", sie bieten Hilfen um aus den bekannten und teilweise konfliktbeladenen Personalisierungen herauszugehen, indem alternative, aber gleichartige Rollen aus dem inneren Bild angeboten werden. Sie erzeugen bei gelungenem Transfer eine Akzeptanz tiefer Verankerung und Emotionalisierung mit dem realen Zielbild einer Veränderung.

Also, warum nicht ausprobieren, statt nur dem flüchtigen Laubblatt im operativen Fluss des organisationalen Geschehens zuzuschauen?

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