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29. März 22

Strategie im agilen Kontext

Eine strategische Ausrichtung zu haben, ist für Organisationen überlebensnotwendig. Dies gilt auch und möglicherweise sogar umso mehr, wenn Organisationen ganz oder in Teilen agil werden, um dynamischen Entwicklungen wirksam zu begegnen. Wie verändert sich Strategiearbeit in einem agilen Kontext? Diese Frage beschäftigt uns als Begleiter*innen von Veränderungsprozessen in der eigenen Organisation oder in der Zusammenarbeit mit Kund*innen in den unterschiedlichsten Facetten: Wie verbinde ich eine langfristige Perspektive mit der iterativen Vorgehensweise im Alltag? Wie bringe ich "strategy" in "execution"? Wie partizipativ kann und muss Strategie sein?

Um über Strategie in einem agilen Kontext zu lernen haben wir Interviews mit Expert*innen aus verschiedenen Unternehmen geführt. Einige unserer zentralen Erkenntnisse stellen wir nachfolgend dar.

Strategie bleibt auch im agilen Kontext eine Fähigkeit der Organisation, sich immer wieder zukunftsfähig auszurichten. Die zeitliche Perspektive verschiebt sich jedoch. "Eine Fünf-Jahres-Perspektive hält nicht mehr", bringt es Constantin Stirnberg, Manager Agile Transformation bei der Gothaer, auf den Punkt. Viele Organisationen blicken in der Strategie zwei bis drei Jahre nach vorne und beobachten gleichzeitig mögliche disruptive Entwicklungen ("ten years future"). Elemente einer Strategie und Verantwortung für Strategie definieren Organisationen dabei unterschiedlich abhängig vom Geschäftsmodell und davon, wie Führung organisiert ist. Strategie hat dabei zwei Ebenen: Eine Ebene setzt den übergeordneten strategischen Rahmen i.d.R. für die Gesamtorganisation (z.B. durch einen Purpose oder strategische Leitplanken oder Prioritäten). Die andere Ebene konkretisiert den strategischen Rahmen in den operativen Teams, die die Strategie iterativ umsetzen. Strategie wird dadurch kurzzyklischer und partizipativer. Für eine wirksame Strategieumsetzung brauchen die Teams eine hohe Autonomie und große Transparenz – über den eigenen Bereich und übergreifend. Anke Idstein, Chief Executive Life & Health Europe & Israel bei Munich Re, ergänzt: "Der strategische Rahmen definiert mit welchen Themen, Geschäftsmodellen und Entwicklungen Ziele erreicht werden. Vorgehen und Ressourcen werden über Sprints definiert. In manchen Bereichen müssen wir Experimente machen. Diese werden am strategischen Rahmen abgeglichen. Je nach Wertbeitrag zur Zielerreichung können sie diesen bestätigen, konkretisieren oder auch verändern." Diesen notwendigen Raum für Experimente beschreiben auch andere: Insbesondere explorative Aktivitäten schaffen zunächst noch keinen Return. Sie brauchen andere Rahmenbedingungen und eine andere Erfolgsmessung.

Ergänzend zum Verständnis von Strategie als Bild der Zukunft und einer Wegbeschreibung zur Erreichung dieser Zukunft gerät im agilen Kontext etwas Drittes in den Fokus: Der strategische Diskurs. Die kontinuierliche Auseinandersetzung mit Strategie – auf und zwischen allen Ebenen einer Organisation – ist das zentrale Instrument, um strategische Orientierung und Sicherheit zu schaffen. "Immer wieder Diskurs und dann Ideensammlung für eine Umsetzung, dann Iteration", beschreibt es Laura Wirtz, Lead Daily Banking & Payments und ehemals Lead of Strategy bei der ING. Dabei braucht dieser Diskurs sowohl feste Räume (die Auseinandersetzung mit Trends, die Aktualisierung und das Review der Strategie etc.). Bei Bedarf muss jedoch auch adhoc Raum für strategischen Diskurs geschaffen werden, wenn neue Notwendigkeiten auftreten. Führung muss im Agilen immer wieder prüfen und ausbalancieren, wieviel strategischen Diskurs es gerade braucht und wieviel Fokus die Umsetzung priorisierter Ziele bedarf. Als Folge ergibt sich ein fortwährendes Wechselspiel von Strategieerarbeitung bzw. -aktualisierung und Strategieumsetzung. Laura Wirtz von der ING sieht hier den großen Mehrwert von Agilität: "Wir müssen die Organisation dazu bringen, im großen Ganzen zu denken. Wenn ein Thema oberste Priorität hat, was ist dann mein Beitrag zur Umsetzung? Was müssen wir dann auch depriorisieren? Agilität unterstützt uns dabei."

 

Meike Keber und Eliza Manolagas arbeiten bei der ING als Agile Consultants und Organizational Developer. 

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