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21. Februar 14

»You Can’t Do It Without the Network« – Über die Wirksamkeit interner Change Agents

Kennen Sie das Fünf-Affen-Experiment?

Im Rahmen eines verhaltensbiologischen Experiments aus dem Jahre 1967 sperrten die Versuchsleiter fünf Affen in einen großen Käfig. Über ihnen baumelte eine verlockende Staude Bananen - allerdings außerhalb ihrer Reichweite. Unterhalb der Bananenstaude befand sich eine Leiter.

Als der erste Affe nun versuchte, die Bananen mit Hilfe der Leiter zu erreichen, wurde zunächst dieser von den Versuchsleitern mit eiskaltem Wasser besprüht, schließlich auch alle anderen Affen.

Sofort brach der Affe seinen Versuch ab und kehrte in seine Gruppe zurück. Nach einer Weile versuchte es nun der zweite mutige Affe und die Prozedur begann von Neuem. Als nun aber der dritte Affe einen Versuch wagte, wurde er von seinen Artgenossen direkt daran gehindert die Leiter zu besteigen und so lang weggedrängt, bis er aufgab. Die Affen hatten gelernt, dass sie dadurch dem kalten Wasser entgehen könnten.

Danach wurde es interessant: Ein Affe nach dem anderen wurden „ausgewechselt“ und durch einen Artgenossen ersetzt, der die vorherige Erfahrung nicht gemacht hatte. Dabei zeigte sich, dass auch die „neuen“ Affen sich nach und nach genauso verhielten, wie die erste Besetzung, obwohl sie nie im Kontakt mit dem kalten Wasser waren und auch in den meisten Fällen nie selbst versucht hatten, die verlockenden Bananen jemals zu erreichen.

Dieses Experiment benutzt John Stepper – ein Vordenker der Enterprise 2.0-Szene -  in seinem immer lesenswerten Blog, als Metapher über das „Verlernen“ von Mut und Innovationsbereitschaft in klassischen Hierarchien

Neben einer Einsicht in die eigenwillige Welt behaviouristischer Versuchsanordnungen stellt sich die Frage, was wir daraus für die Umsetzung von Veränderungsinitiativen in modernen Organisationen schließen können?, Wie können, trotz solcher Mechanismen „gelernter Hilflosigkeit“ in Teilen der Führungsmannschaft - gerade in großen bürokratischen Organisationen, Change-Initiativen wirkungsvoll umgesetzt werden?

Wir sehen die zentrale Verantwortung der Führungsmannschaft auf den drei Wirkungsdimensionen des Change als gesetzt an:

  • Dem Design der inhaltlichen Fragestellungen (z.B. der Frage nach einer zukunftsfähigen Organisationsstruktur),

  • der kreativen Führung der Kooperations- und Kommunikationsdynamik (Wo werden welche Fragen dazu ausgehandelt und kommuniziert?),

  • … und der Choreografie der Handlungsschritte (Wann sind welche Fragen zu klären und welche Schritte zu gehen?)

Eine neue Aktualität gewinnt die Aktivierung netzwerkförmiger informeller Strukturen in der Umsetzung von Change Initiativen. Wie können Führungskräfte als Change-Agents oder auch andere interne Player, die in einer solchen Rolle zur Unterstützung des Führungssystems ausgewählt wurden, ihre Wirksamkeit erhöhen?

Julie Battilana und Tiziana Casciaro kommen hier in ihrer im Harvard Business Review vom August 2013 veröffentlichten Studie „The Network Secrets of Great Change Agents“ zu einem klaren Ergebnis:“You Can’t Do It Without the Network”

In ihrer Studie, mit der sie 68 organisationale Change-Initiativen des National Health- Service in Großbritannien über ein Jahr hinweg begleiteten, beschreiben sie drei zentrale Empfehlungen für die Wirksamkeit interner Change-Agents:

  1. Change-Agents mit einer zentralen Position im informellen Netzwerk der Organisation sind klar im Vorteil – und zwar unabhängig von ihrer Position in der Hierarchie.

  2. Change-Agents, die die Fähigkeit haben und in der Lage sind, bisher unverbundene Gruppen in einer Organisation miteinander konstruktiv zu verkoppeln, sind besonders im Rahmen radikaler Transformationen unverzichtbar („bridging networks“). Sind Change Agents Teil eines Netzwerkes mit Personen, die sich wechselseitig kennen („cohesive networks“), so sind diese wirkungsvoller in der Begleitung kleinerer Veränderungen.

  3. Eine angemessene Nähe des Change-Agents zu den ambivalenten „Zaungästen“ der Veränderungsinitiative ist dabei immer von Vorteil. Eine zu große Nähe zu sehr kritischen Positionen ist in der Umsetzung grundlegender Veränderungen dagegen hinderlich.

Uns wird die Frage, wie interne Change-Agents wirkungsvoll werden können, zukünftig wieder stärker beschäftigen, auch vor dem Hintergrund moderner Möglichkeiten interner Social Media/Kollaborations-Plattformen. Was können Change Agents ermöglichen, wenn ein Teil der Führungsmannschaft – wie die Affen im behaviouristischen Käfig – bereits schmerzhaft gelernt hat, Innovationen möglichst zu vermeiden? Wie müssen Change-Agents dafür heute aufgestellt werden? Wie können die Grenzen der bisherigen Organisation zugunsten neuer Möglichkeiten durchlässiger werden? Welche Rolle kann Social Media dabei spielen? Eines scheint klar: Change-Agents können nicht nur ein einflussarmer Teil eines Teilprojektes eines Projektes sein. Sie müssen in der Mitte sein, an den relevanten Knoten des organisationalen Netzwerks. 

Lit.: Battilana, Julie & Cascario, Tiziana: The Network Secrets of Great Change Agents; Harvard Business Review, July-August 2013.

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