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13. Juli 15

Wird Montag der neue Freitag? – Wie New Work und New Collaboration organisationale Mitgliedschaft und Entscheidungsfindung neu definieren könnten.

Aktuell findet auf den Kongressen der Fachöffentlichkeit aber auch innerhalb vieler Unternehmen eine intensive Diskussion über die Veränderungen statt, die "New Work“ oder "New Collaboration“ mit sich bringen werden. Dabei werden neben digitalen Business-Modellen vor allem …

  • … die veränderten Erwartungen der Generation Y und der Generation Z an organisationale Mitgliedschaft reflektiert,

  • … die Veränderungen diskutiert, die eine intensive Nutzung interner Social Media für die Unternehmen mit sich bringen wird,

  • …. und die Veränderungen diskutiert, die durch veränderte Entscheidungs- und Führungsverständnisse entstehen werden. 

 

In diesem Blogbeitrag möchte ich vor allem auf den letzten Punkt eingehen: Die Erwartung zukünftig grundsätzlich veränderter Entscheidungserwartungen in der Arbeitswelt.

In ihrem Buch "Thank God it´s Monday!” beschreibt die Berliner Design-Thinking Ideenschmiede “Dark Horses-Innovation” lesenswert, wie sie sich selbst aufstellt, um sinnerfüllt und im posthierarchischen Miteinander ihre spezifische Form der Wissensarbeit zu leben, unterstützt durch die dazu passenden Organisations-, Kommunikations- Entlohnungs- und Entscheidungsstrukturen.

Eine Grundidee ist dabei die Neuorientierung an einer Arbeitswelt, in der Engagement, Kreativität und ein innovatives Miteinander so gestaltet werden, dass man nicht am Freitag froh sein muss endlich ins Wochenende zu gleiten, sondern in einer positiv besetzten "Montagswelt“ immer wieder neu energetisiert wird.

Im Bereich der beschriebenen Kommunikations- und Entscheidungsformate finden sich viele Ansätze, die auch schon früher unter den Stichworten Holacracy oder Soziokratie als Bestandteile alternativer Entscheidungskulturen beschrieben und diskutiert wurden und nun offensichtlich eine Renaissance erfahren. Diese Entscheidungsmodi, wie das Konsentverfahren (Entscheidung gilt als getroffen, wenn es keine schwerwiegenden Einwände gibt) oder der konsultative Einzelentscheid (einzelne entscheidungsbevollmächtigte Personen moderieren für spezifische Fragestellungen Expertengruppen), sollen jeweils verhindern, dass Hierarchie sich durch formalisierte Entscheidungs- und Reportingstrukturen quasi immer wieder selbsterhalten muss und auf diese Weise ein kreatives kunden- und produktorientiertes Denken und Handeln eher lähmt als befördert.

Auch innerhalb des Managements und vor allem der Mitarbeitervertretungen großer Unternehmen wird angeregt die Frage eines Wertewandels diskutiert und ob nicht zukünftig ganz andere Formen innerbetrieblicher Demokratie möglich sein müssten, die die hierarchischen Prinzipien zumindest ergänzen, wenn nicht sogar ersetzen sollten. Ein Treiber dieser Diskussion ist der Film "Augenhöhe“, der viele praktische Beispiele neuer innerbetrieblicher Entscheidungs- und Kooperationsmodi darstellt. In diesem Zusammenhang werden auch immer wieder prägende Beispiele, wie die Wahl von Führungskräften bei der St. Galler Haufe-umantis AG oder deren Mitbestimmung im Bereich der Strategieentwicklung beschrieben.

Auch wir beschäftigen uns im Rahmen einer kleinen Arbeitsgruppe mit diesen Themen. Die spannende Frage ist aus unserer Sicht, wie es zukünftig gelingen kann, diese Formen in Unternehmen mit klassisch aufgebauten funktionalen Hierarchien zu etablieren, oder um es frei übersetzt mit dem Londoner Organisationswissenschaftler und -pädagogen Dr. Eddie Obeng zu sagen: "Wenn horizontales Netzwerken und Entscheiden seit Jahren so verdammt sexy ist, warum macht es denn kaum jemand?“

Wir finden im Rahmen von New Collaboration eine Reihe von Bewegungsrichtungen besonders interessant und schauen dabei in erster Linie auf die Vereinbarkeit dieser Ansätze mit der Pfadabhängigkeit dominant funktional hierarchisch aufgebauter Organisationen. Wie verändert sich die Art und Weise der Entscheidungsfindung? Hier eine kleine Auswahl dieser Bewegungsrichtungen:

  1. Es entsteht eine neue absichtsvolle und reflektierte Parallelität von Entscheidungsmodalitäten in Unternehmen, wenn z.B. nach Typus der Fragestellungen bzw. Aufgabetypen unterschieden wird (Beispiel: Wissensarbeit wird von den Entscheidungsmodi in einigen Unternehmen stark partzipativ ausgerichtet, bürokratische Aufgabentypen oder Massendienstleistungen unterliegen anderen eher hierarchischen Prinzipien).

  2. Die wachsende Herausforderung des Managementsystems, einen permanenten "Switch“ von kreativer Netzwerkintelligenz und klarer Entscheidung durch Führungskräfte zu prozessieren. Auch hier entstehen mehr oder weniger neue weitere "Entscheidungshybride“ in den Unternehmen, die wiederum gemanagt werden müssen.

  3. Der schleichende Verlust der informatorischen Filterfunktion einer Führungskraft in ihrer Scharnierposition. Das Netz weiß mehr als die Führungskraft. Wie verändert sich dadurch der Mehrwert, den Führung in dieser Scharnierfunktion im Rahmen der Entscheidungsfindung bringen sollte?

  4. Die wachsende Möglichkeit, Führungsentscheidungen breit in internen sozialen Netzwerken zu kommentieren bzw. transparent nachvollziehen zu können. Und damit verbunden, die sinkende Möglichkeit für "Willkürentscheidungen“, die nicht oder kaum kommentiert werden müssen, die bisher aber durchaus auch funktional sein konnten. Entlang dieser Entwicklung kann man vorausahnen, dass Führungskräfte zukünftig in der Lage sein müssen, Meinungen auch im internen sozialen Netzwerk permanent zu scannen und aktiv "Meinungen zu machen“.

  5. Die verstärkte Wirkung des eigenen Status durch die Position in der internen oder externen (Wissens-)Community. Mächtig sind zukünftig noch mehr die, die Wissen einspeisen und teilen und nicht die, die es beherrschen oder verknappen wollen.

  6. Eine Wiederentdeckung der "natürlichen Autorität“ von  Führungskräften, die sich aufgrund fachlicher Glaubwürdigkeit, Persönlichkeit, Authentizität, Mehrwert für die Organisationseinheit  und Inspiration für die Führungsrolle qualifizieren und sich diese Akzeptanz immer wieder neu erwerben müssen.

  7. Der Wandel der Führungsrolle im Change vom verantwortlichen Gestalter als Einzelspieler hin zum Mannschaftsspieler innerhalb des Managementsystems und noch weiter hinaus zum Orchestrierer oder Choreografen einer Veränderung mit Stakeholdern über Abteilungs- oder Organisationsgrenzen hinaus.

 

Ein erstes Fazit: Entscheidungsmodi werden sich auch in traditionellen Unternehmen weiter ausdifferenzieren, wenn auch nicht so schnell und radikal, wie in Start Ups oder den Vorzeigeunternehmen vorgelebt. Führung wird sich auch bzgl. dieser Fragen neu definieren müssen, die Protagonisten eines althergebrachten hierarchischen Verständnisses geraten gegenüber ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zunehmend in die Defensive. Auf der anderen Seite sind die klassischen Strukturen in vielen Unternehmen auch weiterhin noch stark hierarchisch ausgeprägt. Aus unserer Sicht müssen gerade die Führungsmannschaften auf dieses Spannungsfeld gut vorbereitet werden.

Literatur / Quellen:

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