17. März 25

Revolutionäre Veränderungen für Organisationen
Die Geschichte der Organisationsentwicklung ist geprägt von tiefgreifenden technologischen und gesellschaftlichen Veränderungen. Der Buchdruck im 15. Jahrhundert revolutionierte den Zugang zu Wissen und Informationen, was nicht nur Bildung und Wissenschaft, sondern durch Standardisierung auch Verwaltung und durch schnellere Verbreitung und erhöhte Reichweite Kommunikation entscheidend veränderte. Die Industrialisierung im 18. und 19. Jahrhundert steigerte die Produktivität durch maschinelle Fertigung und veränderte Unternehmensstrukturen und Geschäftsmodelle grundlegend. Im späten 20. Jahrhundert transformierte die Digitalisierung die Art und Weise, wie Organisationen operieren, indem sie analoge Prozesse in digitale Formate überführte.
Heute läutet künstliche Intelligenz (KI) die nächste Phase der organisatorischen Evolution ein. Während die Digitalisierung die technische Basis geschaffen hat, entwickelt KI lernfähige Systeme, die menschliche Fähigkeiten erweitern. Technologien des maschinellen Lernens wie die natürliche Sprachverarbeitung (Large Language Models) ermöglichen komplexe Analysen und – gegebenenfalls – autonome Entscheidungen. Aktuell entstehen zunehmend auch „Agentic AI“-Systeme, die selbstständig Aufgaben erledigen und eigenständig Probleme lösen können. KI kann als eine nicht-triviale Maschine verstanden werden, deren Ergebnisse selbst für ihre Entwickler nicht immer vorhersehbar sind, dank neuer Sprachmodelle aber leicht nutzbar bleiben.
Implikationen von KI auf Entscheidungsprozesse
Eine der Grundfunktionen von Organisationen liegt in ihrer Fähigkeit zur Unsicherheitsabsorption. Entscheidungen sind dafür die bestimmenden Kommunikationselemente. Sie verwandeln im Arbeitsgeschehen ständig produzierte Handlungsunsicherheiten in situative Sicherheit, damit es angesichts nicht zu vermeidender Risiken in den Prozessen weitergehen kann.
Die Integration von KI in Entscheidungsprozesse wirft aus systemtheoretischer Sicht spannende Fragen auf. Nach Heinz von Foerster sind "echte Entscheidungen" nur unter Unsicherheit möglich, weil relevante Informationen niemals vollständig bekannt sein können. Entscheidungsfindung ist daher immer eine kreative und mutige Handlung, die weit über bloße Berechnungen hinausgeht. Sie erfordert Reflexivität, um eigene Annahmen kritisch zu hinterfragen, sowie Verantwortung, um bewusst mit den weitreichenden Folgen des eigenen Handelns umzugehen. KI strukturiert Unsicherheit, indem sie neue Informationsquellen und Analysefähigkeiten bereitstellt. Dennoch bleibt menschliches Urteilsvermögen unverzichtbar, um Entscheidungen verantwortungsvoll und nachhaltig zu gestalten. KI kann Entscheidungsprozesse unterstützen, aber nicht ersetzen, da ihre Modelle auf Annahmen beruhen, die die Komplexität der Realität nicht vollständig abbilden. Im Gegensatz zu einer Organisation verfügt KI zudem über keinen inhärenten Selbsterhaltungstrieb.
Wie KI Entscheidungen fördert
Um die Rolle von KI bei Entscheidungen differenziert zu betrachten, bietet sich eine Unterscheidung nach dem Grad der Unsicherheit an. Je nachdem, ob Entscheidungen eher sicher oder eher unsicher sind, verändert sich der mögliche Einsatz und Nutzen von KI grundlegend. Die Wortwahl "sicher" und "unsicher" verdeutlicht dabei, wann KI autonom handeln kann und wann menschliche Verantwortung entscheidend bleibt.
Sichere Entscheidungsprozesse zeichnen sich durch einfache Prognosemöglichkeiten und ein geringes Risiko aus, wodurch viele Aufgaben problemlos an eine KI delegiert werden können. KI kann hier routinemäßige Entscheidungen automatisieren und menschliche Entscheider entlasten.
Einige Merkmale hoher Sicherheit und Automatisierbarkeit durch KI:
- Standardisierte, gut dokumentierte Prozesse mit verlässlichen Daten
- Routineaufgaben mit geringen Risiken
- Unstrittige ethische Rahmenbedingungen
- Kalkulierbare, das heißt primär wissensbasierte Entscheidungen
Anders verhält es sich bei hoher Unsicherheit, die durch Unvollständigkeit der Daten, hohe Komplexität oder ethische Dilemmata geprägt ist. Hier kann KI als Entscheidungshilfe fungieren, indem sie Szenarien analysiert, jedoch bleibt die Verantwortung beim Menschen.
Einige Merkmale hoher Unsicherheit und geringer Automatisierbarkeit durch KI:
- Der Anteil an Nichtwissen ist bei Entscheidungen besonders hoch
- Weitreichende Auswirkungen auf das Überleben der Organisation
- Komplexe ethische Dilemmata
- Es geht um für die Organisation konstitutive Zielkonflikte (Paradoxien)
Abbildung: Entscheidungsraum zwischen Routine und Experimentieren
Zwischen diesen Extremen liegt ein Experimentierraum, in dem Organisationen die Anwendungsfelder von KI individuell bewerten müssen. Die Automatisierung innerhalb dieses Raums wird umso höher sein, je treffsicherer KI im Laufe der Zeit wird. Entscheidend bleibt jedoch, dass Organisationen den Mehrwert von KI-Einsätzen systematisch reflektieren und ihre Gestaltungsspielräume aktiv nutzen.
Quellen:
Hillebrand, L., Raisch, S., & Schad, J. (2025). Managing with Artificial Intelligence: An Integrative Framework. Academy of Management Annals, 00(00), 1–33.
Quaquebeke, N. & Haas, O. (2024). Entscheidungen neu denken. Zeitschrift für Organisationsentwicklung (ZOE), 3(2024), 25–27.
Wimmer, R. (2017). Globalisierung, Digitalisierung und Change-Management. Fit für die Zukunft? osb international.