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26. Juli 22

New Work als Aufbruchsprozess für Universitäten

New Work im Sinne der Flexibilisierung von Arbeitszusammenhängen ist in gewisser Weise in vielen Bereichen der Wissenschaft seit langem selbstverständlich. Dort, wo die Forschung nicht direkt mit aufwendigen Geräten und Einrichtungen verknüpft ist, sind Wissenschaftler*innen in ihrer produktiven Tätigkeit nicht nur ungebunden in der Wahl ihres Ortes und der Zeit, sondern benötigen diese Freiheit sogar, um die für ihre kreativ-innovative Arbeit besten Rahmenbedingungen zu gestalten. Was das jeweils bedeutet, hat viel mit der eigenen Persönlichkeit und den individuellen Lebensbedingungen zu tun.

Die Entwicklungsschübe hinsichtlich der technischen Mittel durch die pandemiebedingte Beschleunigung der digitalen Transformation haben diese Möglichkeiten einer gesamthaften Flexibilisierung und Anpassung von Arbeitsbedingungen auch auf andere Bereiche der Universitätsorganisation ausgeweitet. Auch Verwaltung oder Serviceeinrichtungen können sich für eine andere Gestaltung der Arbeitszusammenhänge öffnen - sehen sich häufig angesichts der Zufriedenheitswerte in Mitarbeitendenbefragungen sogar gezwungen, neue Arbeitsbedingungen anzubieten.

Die Erfahrungen zeigen, dass es darauf ankommt, die unterschiedlichen Erfordernisse zwischen den wissenschaftlichen Disziplinen aber auch zwischen Verwaltungs- und Serviceeinrichtungen zu berücksichtigen und alle Seiten frühzeitig einzubinden, um Skepsis und Misstrauen in einen umfassenderen Transformationsprozess abzuholen. Das gilt insbesondere für die Adressierung der verschiedenen Dimensionen von New Work, die jeweils besondere Sensitivitäten auslösen können. So berührt beispielsweise die Dimension der Flexibilisierung der Arbeitsplätze nicht nur die Frage, inwiefern mit Arbeitsplätzen für Menschen mit besonderen Erfordernissen umgegangen wird, sondern auch die Frage, welche fakultätspolitischen Interessen der Kostenreduktion die möglichen Treiber einer solchen Initiative sind. Das Thema flexibler Arbeitszeiten führt sofort zur Frage der gefühlten und realen Gerechtigkeit unter den Mitarbeiter*innen oder stellt die Notwendigkeit von Kernarbeitszeiten oder fixen Teampräsenzzeiten zur Debatte.

Als Erfolgskriterium zeigt sich, dass das Thema New Work von vornherein in seiner Vielschichtigkeit angekündigt und erst dann konkret an die verschiedenen Organisationseinheiten herangetragen wird. Wenn es gelingt, der gesamten Universität einen glaubwürdigen Eindruck zu vermitteln, dass in allen Bereichen grobe Leitlinien als Orientierung dienen und sodann auf die spezifischen Situationen und Erfordernisse eingegangen wird, kann das Chancenpotential eines solchen umfassenden Aufbruchsprozesses gehoben werden.

Dazu gehört eine Gesamtarchitektur im Sinne eines Prozesses von grundlegenden Schritten, die transparent und nachvollziehbar geplant werden und der darauf angelegt ist, möglichst weite Teile der Führungskräfte und Schlüsselspieler*innen sowie der betroffenen Mitarbeiter*innen zu involvieren. Involvierung meint interaktive Formate, in denen man zu geplanten Vorhaben Resonanz geben, eigene Ideen zur Verfügung stellen oder in manchen Fragen auch mitbestimmen kann. Diese Art von Vorgehen ermöglicht nicht nur, dass sich Betroffene gedanklich auf die teilweise komplexen Zusammenhänge einlassen können und gehört fühlen, sondern dass zusätzliche oder neue Ideen entdeckt und mögliche Fehler frühzeitig korrigiert werden können.

Die inzwischen verbreitete Selbstverständlichkeit von virtuellen Veranstaltungen und virtueller Kommunikation eröffnet dabei die völlig neue Chance, Workshops mit großen Organisationseinheiten durchzuführen und in einer relativ eng getakteten Rhythmik ganze Fakultäten mit ihren unterschiedlichsten Instituten und Verwaltungseinheiten zu synchronisieren. Selbst virtuelle Veranstaltungen für die gesamte Belegschaft einer Universität, die immer noch interaktiven Charakter haben können, sind inzwischen möglich.

Als unterschiedliche Bearbeitungsdimensionen in einem Gesamtprojekt könnte man folgende Work-Streams unterscheiden:

  1. Arbeitszeit: Hier gilt es zunächst die rechtlichen Rahmenbedingungen zu klären und zu definieren, welche Flexibilität möglich sein soll. Sodann müssen grobe Leitlinien ausgearbeitet werden, die für die Gesamtorganisation gelten und die den Gestaltungsraum für die verschiedenen Organisationseinheiten umrahmen. 
  2. Mobiles Arbeiten und Homeoffice: In diesem Bereich ist herauszuarbeiten, welche Art von Mobilität unter dem Begriff "Mobiles Arbeiten" zu verstehen ist, welche technischen Voraussetzungen dafür notwendig sind oder bis zu welchem Grad die Universität für diese Voraussetzung aufkommt. Dasselbe gilt für die Homeoffice-Regelungen, die einerseits vom Gesetzgeber hinsichtlich Arbeitsplatzsicherheit u.ä. vorgegeben werden, andererseits von der Universität mit Leitlinien hinsichtlich Freiwilligkeit oder Anforderungen an Präsenz vor Ort etc. zu versehen sind.
  3. Flexibilisierung des Arbeitsortes: Zahlreiche Themen der Arbeitsausführung müssen geklärt werden, wie Fragen der Standards an den einzelnen Arbeitsplätzen, der Verwahrmöglichkeit persönlicher Arbeitsmittel, dem Thema von Buchungssystemen bis hin zur Abwägung, zu welchem Prozentsatz nutzungsabhängige Arbeitsplätze und Räumlichkeiten verteilt werden.
  4. Zusammenarbeit und Führung: In diesem Themenbereich erleben Universitäten häufig eine besondere Entwicklungsherausforderung. Wenn es im Wissenschaftsbereich immer schon schwierig war, dezentrale Arbeitsweisen zu synchronisieren, so sind doch auch neue Fragen aufgetaucht, etwa bezüglich einer hinreichenden Kooperationsdichte und Identifikationsmöglichkeit durch die weitreichende Virtualisierung. Grundlegend neu stellen sich diese Themen in Verwaltungsbereichen, wo die produktive Gestaltung von Arbeitsprozessen oder der Teamzusammenhalt unter den Bedingungen von Homeoffice neu erfunden und ausgehandelt werden müssen. Für die Führung bedeutet die Umstellung von der deutlich veränderten Kontrollmöglichkeit hin zu einer Angewiesenheit auf Vertrauen in der Kooperation teilweise einen markanten Kulturwandel, auf den sich Führungskräfte ebenso wie Mitarbeitende einstellen müssen.

In den Projektteams, die sich mit diesen unterschiedlichen Bearbeitungsdimensionen befassen, arbeiten die jeweils relevanten Fachexpert*innen der Universität zusammen, teilweise unterstützt durch externe Expertise (z.B. im Bereich Arbeitsplatzgestaltung). Sie kooperieren mit den Linienverantwortlichen aus den unterschiedlichen Organisationseinheiten und stehen als Sparringpartner*innen für die späteren Umsetzungen zur Verfügung.

Eine besondere Herausforderung stellt die Synchronisierung der Vorhaben aus der New Work-Initiative mit anderen relevanten strategischen Schwerpunktsetzungen der Universität dar. So ist das Thema New Work nicht nur eng verwoben mit den Digitalisierungsinitiativen, sondern auch mit den Raumplanungen, die durch die Reduktion der Festarbeitsplätze beeinflusst werden, Nachhaltigkeitsprojekten oder generell den Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen zu Themen der Kooperation und Führung.

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