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20. Mai 25

Make Ideas Real

Ein Interview mit Achim Müller, Leiter Konzernentwicklung bei Rohde & Schwarz, geführt von Walter Dietl 

Walter Dietl (WD): Kurz zum Einstieg: Wofür steht die Konzernentwicklung bei Rohde & Schwarz? 

Achim Müller (AM): Der Bereich Konzernentwicklung besteht heute aus vier Funktionen: Konzernstrategie, Merger & Acquisition, Operational Excellence – wir nennen das Lean X – und dem Thema Organisationstransformation mit den beiden Disziplinen Change Management und Organisationsentwicklung. 

WD: Das ist ein breites Spektrum, aber es klingt so, als ob man damit wirklich Konzernentwicklung betreiben kann. 

AM: Genau das versuchen wir. Die Abteilung wurde in dieser Form im Dezember 2024 ins Leben gerufen. Wir haben verschiedene Funktionen und Kompetenzen, die es bereits im Unternehmen gab, jetzt in einem Team zusammengebracht. So wollen wir fachlich einen Schritt weiterkommen, mehr Schlagkraft entwickeln und gezielt Fähigkeiten ausbauen, die bisher gefehlt haben. 

WD: Was sind die Herausforderungen, die Rohde & Schwarz aktuell beschäftigen? 

AM: Das Unternehmen ist in mehr als 90 Jahren organisch im Hochtechnologiesektor gewachsen, immer dort, wo Markt, Technologie und Innovation es zugelassen haben. Jetzt stoßen wir an Grenzen. Unsere bestehenden Strukturen behindern teilweise weiteres Wachstum oder verursachen Wachstumsschmerzen. Wir wollen in einen neuen Reifegrad gelangen. 

WD: Kannst du das an einem Beispiel festmachen? 

AM: Es zeigt sich qualitativ wie quantitativ. In Mitarbeiterbefragungen etwa wird kritisiert, dass Entscheidungen zu langsam getroffen werden oder interne Strukturen als zu komplex empfunden werden. Auch die Entwicklung von Umsatz und Ertrag verläuft nicht mehr wie früher. Viele Faktoren spielen da hinein, aber wir wollen die Organisation flexibler und skalierbarer aufstellen. 

WD: Und wie gelingt das? 

AM: Ich hole etwas aus: Das Bild der "Lernenden Organisation" ist für mich zentral. Auch Darwins Prinzip der Anpassungsfähigkeit ist ein Treiber. Unsere "Muskeln" für Technologie und Innovation sind gut trainiert – unsere organisatorischen hingegen weniger. Deshalb investieren wir gezielt: Nicht durch mehr Budget, sondern indem wir vorhandene Fähigkeiten bündeln und gezielt trainieren. Es geht um gemeinsame Sprache, gemeinsame Methoden und systematisches Vorgehen. 

WD: Wie kombiniert ihr Bestehendes mit Neuem? 

AM: Seit 2006 machen wir Lean Management in den Operations. Dort gibt es viel Know-how. Auch im Change Management und in der Unternehmensstrategie sind wir gut aufgestellt. Mit osb-i kommt jetzt systemisch fundierte Organisationsentwicklung hinzu. Im Trainingsprogramm zu Organisationsdesign arbeiten wir bereichsübergreifend: Führungskräfte, unsere internen Expert*innen aus der Konzernentwicklung, die HR Business Partner – alle entwickeln eine gemeinsame Sprache und setzen direkt um. 

Es geht nicht um die perfekte Organisationslösung, sondern darum, dass alle verstehen, wie man mit den Methoden arbeitet, um effizient zusammenzuarbeiten. 

WD: Das ist ein großer Unterschied zu anderen Initiativen. Ihr habt von Anfang an gesagt: Organisationsgestaltung ist Managementaufgabe – nicht Sache von Stäben oder Supportbereichen. 

AM: Ja, wir haben 2006 bei der Lean-Einführung Lehrgeld bezahlt, weil wir nicht ausreichend bedacht hatten, dass jede Methode Kultur verändert. Kulturwandel muss vom Management getragen werden. Wenn wir wollen, dass R&S auch in Zukunft erfolgreich ist, müssen wir bei der Führung anfangen. Genau das machen wir jetzt in der Organisationsentwicklung – über Trainings, Üben und eigenes Erleben. 

WD: Merkt ihr schon Wirkungen? Der Start war im November 2023. 

AM: Noch keine flächige Erhebung, aber klare Anzeichen. Heute Morgen sagte jemand in einem Workshop: "Lass uns erst über Rollen, Prozesse und Informationsfluss reden, bevor wir über Namen und Strukturen sprechen." Genau diese Denkweise wollten wir fördern: Den Raum für systemisches Verstehen erweitern. 

WD: Das freut mich wirklich. Und wie arbeitet ihr mit dem breiten Spektrum von Strategie, Change, Lean und M&A zusammen? Parallel oder integriert? 

AM: Gute Frage. Ich nehme gern die Metapher vom Patienten mit Schulterschmerzen: Je nach Arzt gibt es unterschiedliche Behandlungsansätze. Wichtig ist, dass es heilt. 

So ist es auch bei uns: Wir schauen, was gerade am besten passt. In manchen Bereichen ist die Strategie klar, die Prozesse funktionieren, aber die Struktur zieht nicht mit – dann kommt Organisationsdesign ins Spiel. In anderen Fällen fehlt die strategische Grundlage – dann steigen wir dort ein. Es gibt keine Einheitslösung, sondern einen adaptiven, ganzheitlichen Blick. 

WD: Lass uns über Agilität sprechen. Wie geht ihr bei Rohde & Schwarz damit um? 

AM: Wir haben einen hohen Anspruch an Erfolg – aber auch an Nachhaltigkeit. Wir wachsen nicht um jeden Preis. Start-up-Logik funktioniert bei uns nicht eins zu eins. Lieber bremsen wir anfangs etwas, investieren in Klarheit und Qualität, bevor wir wachsen. 

Als Familienunternehmen haben wir den Vorteil, langfristig denken zu können. Wir müssen nicht auf den nächsten Quartalsbericht schauen. Trotzdem sind wir leistungsorientiert. Ja, Diskussionen dauern manchmal länger. Aber oft führt das zu besseren Ergebnissen. 

WD: Und was ist mit agilem Arbeiten? 

AM: Für mich ist das agile Mindset zentral: Anpassungsfähigkeit, Verantwortung, Kundennutzen. Daran glaube ich seit 20 Jahren. Die Methoden allein bringen wenig, wenn die Schnittstellen nicht funktionieren. Da erzeugt man eher Frust. 

Was hilft, sind Prinzipien wie Transparenz, klare Rollen, gute Kommunikation. Diese Prinzipien teilen agile Methoden mit Lean und Organisationsdesign. Am Ende geht es um gutes Organisationsdesign, nicht um Etiketten. 

WD: Was sind deine fünf wichtigsten Tipps für Unternehmen, die vor größeren Organisationsveränderungen stehen? 

AM: 

Transparenz schaffen – aber multidimensional: Markt, Mitarbeitende, Strategie, Inhaberperspektive. 

Zukunftsbezug einnehmen – vergangene Erfahrungen helfen nicht mehr automatisch weiter. 

Die richtigen Leute einbinden – man braucht die Key Player mit Herz und Verstand. 

Zwischenstopps einbauen – um zu reflektieren, aber ohne die Lernkurve zu stören. 

Ein gemeinsames Handwerkszeug etablieren – in Strategie, Organisation, Führung. 

Am Ende wissen wir auch nicht genau, wie es geht. Es gibt keine Blaupause. Aber wir glauben an unsere Leute, an unsere Produkte und daran, dass wir gemeinsam den Weg finden. Mit Demut, Klarheit und dem Anspruch, das Bestmögliche zu liefern. 

WD: Achim, vielen herzlichen Dank für das Gespräch! 

 

Achim Müller ist auch Gastreferent im osb-i Lernweg "Organisationsdesign". 
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