15. März 16
Der Ahnentempel am Firmengelände
Das Re-entry von Familienunternehmen in die chinesische Wirtschaft
Reiseroute einer Learning Journey nach Südchina
Im Oktober 2015 organisierte das Institut für Familienunternehmen der Universität Witten/Herdecke eine Learning Journey nach China, zu der auch osb Beraterinnen und Berater eingeladen waren, ihren Beitrag zu leisten. Nach Indien war China die zweite Destination, um die Besonderheiten von Familienunternehmen in unterschiedlichen Kulturkreisen zu erforschen. Dabei standen folgende Fragestellungen im Vordergrund:
- Welche Rolle spielen Familienunternehmen in der chinesischen Volkswirtschaft?
- Was ist ihre Geschichte und wo liegen aktuell ihre größten Herausforderungen - marktseitig und organisationsintern?
- Wie drücken sich die Besonderheiten chinesischer Familienstrukturen auf der Unternehmensseite aus, z.B. in den Führungsstrukturen und der Corporate Governance?
- Wo zeigen sich Chancen und Risikopotenziale in der Kooperation zwischen chinesischen und deutschen Familienunternehmen?
Die Reise führte uns von Shenzen und Dongguan, über Hangzhou, Taizhou und Shanghai nach Changzhou und Wuxi. In 10 Tagen besuchten wir in einem eng getakteten Programm 12 Unternehmen und 2 Universitäten. Die Bandbreite der Familienunternehmen reichte von einem Bauunternehmen (Umsatz: € 280 Mio) über den bekanntesten Seidenproduzenten Chinas (Gruppenumsatz € 750 Mio) bis zu einem Hersteller von Elektrobauteilen (Umsatz: € 1.3 Mrd). Unsere Delegation wurde überall äußerst gastfreundlich empfangen und mit erstaunlich großer Offenheit in die Geschichte und die aktuell brennenden Themen von Familie & Unternehmen eingeweiht. Fast immer entstanden kleine Beratungssequenzen, in denen unsere Gastgeber äußerst begierig von unseren Erfahrungen und Theorien zu Familienunternehmen lernen wollten.
Momentaufnahme: einige Zahlen, Daten und Fakten zu Familienunternehmen in China
Die Geschichte der Familienunternehmen in China ist relativ jung. Seit der Liberalisierung der Wirtschaft 1979 wurden schrittweise zunächst landwirtschaftliche Unternehmen und nach der Reform des staatlichen Sektors (1986) auch KMUs privatisiert (1992). In diesen 36 Jahren entstanden mehrere Mio. Familienunternehmen, die inzwischen ca. 60% des chinesischen Bruttosozialproduktes erwirtschaften und zunehmend an Bedeutung gewinnen. Die in den 80er Jahren gegründeten Pionierunternehmen sind jetzt noch in der ersten oder bereits in der zweiten Generation, was bedeutet, dass in den nächsten 10 Jahren in einigen hunderttausend Familienunternehmen die Generationsablöse ansteht.
Hallmarks chinesischer Familienunternehmen
Family first
Die Gründung der meisten Familienunternehmen nach dem Mao-Regime und der Kulturrevolution war durch die Notwendigkeit motiviert, die eigene Familie vor dem Hunger(tod) zu bewahren und eine Existenzgrundlage sicherzustellen. Die Gründergeneration bestand in der Regel aus hart arbeitenden Menschen, die in den wirtschaftlich besonders geförderten und begünstigten Regionen (wie z.B. Shenzen oder Shanghai) durch ihre Produkte und Dienstleistungen den Aufbau unterstützten und die Erträge ihren Herkunftsfamilien zukommen ließen. Die Loyalität in China gilt überwiegend nach wie vor der Familie und nicht dem Unternehmen. Dieses ist Mittel zum Zweck der Überlebenssicherung der Familie.
Kontinuitäts-Vorstellungen
Durch die disruptiven politischen Entwicklungen erleben viele Chinesen Kontinuität in der Familiengeschichte und Brüche in der Unternehmensentwicklung ("Long history of family, broken history of business"). Wir haben sehr viel Skepsis angetroffen, inwieweit der heutige staatliche Boden ein längerfristiges Gedeihen des Unternehmens ermöglichen wird. Viele junge Unternehmer setzen daher eher auf rasch verwertbare unternehmerische Aktivitäten. Zugleich gibt es von anderen Unternehmern die Vision ihres Unternehmens, "das 100 Jahre lang besteht". Bei vielen unserer Gesprächspartner war die Faszination über deutsche Unternehmen spürbar, die seit vielen Generationen und mit einer Vielzahl von Gesellschaftern Bestand haben. - "Wie schafft ihr das?!"
Eine schillernde Beziehung zwischen Staat und Privatwirtschaft
Staat und Parteien haben in China immer eine bedeutende Rolle für Familienunternehmen gespielt. Durch das Mao-Regime ist viel zerstört worden, vor allem die Vertrauensbasis gegenüber der öffentlichen Hand. Aktuell ist nur Staatseigentum geschützt. Erst wenn auch privates Eigentum durch eine entsprechende Gesetzesregelung unantastbar wird, werden sich Familienunternehmen mit ähnlichen Chancen wie Staatsunternehmen (etwa was ihre Finanzierung betrifft) entwickeln können. Zugleich haben in manchen Regionen Chinas staatliche Einrichtungen ihre Rolle bereits deutlich redefiniert und fördern private Unternehmen in einem fruchtbaren Zusammenspiel.
Patrilineare Familienstrukturen dominieren im Unternehmen. Zugleich steigt die Zahl erfolgreicher Unternehmerinnen
Zur Überlebenssicherung des Familienunternehmens gehört bislang die Vererbung des Eigentums in der männlichen Linie. Schwiegertöchter, auch wenn sie im Unternehmen an leitender Stelle aktiv sind, werden trotzdem nicht in den Gesellschafterkreis aufgenommen. Es könnte zur Scheidung kommen (Scheidungsrate in Südchina immerhin 30%) und damit zur Zersplitterung des Familieneigentums. Auch Top-Positionen im Unternehmen sind vielfach noch männlichen Familienmitgliedern vorbehalten. Frauen kommen dann zum Zug, wenn es keine männlichen Nachfolger gibt, oder zunehmend durch eigene Unternehmensgründungen. Sie sind in der Regel sehr gut ausgebildet, harte Arbeiterinnen (mit Familie) und extrem ehrgeizig. Das Aufbrechen dieser patriarchalen Strukturen ist erwartbar.
Kernherausforderungen der Zukunft
Die Zeichen für Familienunternehmen in China stehen gut: sie erobern neue Märkte, verlegen ihre Headquarter in die großen Städte, verstärken sich durch ein professionelles, gut ausgebildetes externes Management, entwickeln Stolz und Selbstbewusstsein als Familienunternehmen. Die in China extrem stark ausgeprägte Freude am Lernen ebnet auch Familienunternehmern den Weg zu Universitäten, wo die ersten Lehrstühle für diesen Unternehmenstyp und seine besonderen Herausforderungen entstehen. Wir haben das Institut für Family Business Research an der Zhejiang University in Hangzhou besucht, das eine Plattform für zahlreiche Familienunternehmen bietet, die in dieser Hochburg für Entrepreneurship in China angesiedelt sind. Prof. Chen, der Direktor und Gründer des Instituts, unterstreicht die positiven Prognosen und benennt zugleich die 5 größten Herausforderungen dieses Unternehmenstyps in den nächsten Jahren:
- Das "Schrumpfen" der Unternehmerfamilien (durch die 1-Kind-Politik) und das Erodieren der tradierten familialen Werte
- Die anhaltende Diskriminierung des Privatsektors durch den Staat hinsichtlich Marktchancen und Ressourcenzugang
- Das Gelingen der Generationsablöse in 100.000en Unternehmen
- Die Entwicklung von nachhaltigen Führungs-und Organisationsstrukturen 5.Die Erhaltung des unternehmerischen Spirits in den Unternehmerfamilien (Aufbau entsprechender Governance Strukturen)
Möge die Übung gelingen!
Rückfragen: Margit Oswald, osb Wien