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18. Juni 19

Agilität im Maschinenbau, geht das? Evaluation mit dem Organizational Quick Check.

Bereits seit mehreren Monaten hat sich der Entwicklungsbereich eines internationalen Maschinenbauherstellers mit den Möglichkeiten des agilen Arbeitens befasst. Alle geeigneten Aufgabenstellungen, seien es kleine Verbesserungen im Alltag, der Neuentwurf von Verwaltungsabläufen oder auch die Erstellung von Rollenprofilen wurden in kurzzyklischen Sprints erarbeitet. Selbstorganisierte Teams, jeweils mit einem Ergebnisowner, steckten sich Ziele, erarbeiteten Themen und sorgten für die Umsetzung. Dabei orientierte man sich ganz pragmatisch immer am Machbaren und nicht am Optimalen. Diese Art des Arbeitens haben sich einige findige Mitarbeiter zu eigen gemacht, um in agiler Art und Weise große Werkzeugmaschinen neu zu denken, zu entwerfen und zu produzieren. Anstatt diese Tools wie bisher in "einem Guss" zu fertigen, wurden sie in kleine Bestandteile zerlegt und modular zusammengesetzt. Individuell und ganz nach Kundenwunsch. Der Erfolg war außerordentlich. Die Kunden waren begeistert und die Mitarbeiter hoch motiviert.

Zwischenbilanz mit dem Organizational Quick Check

Angesichts des überraschenden Erfolgs stellte sich die Frage, ob diese positiven Effekte zufällig auftraten oder tatsächlich auf die neue, agile Arbeitsmethode zurückzuführen waren. Dafür haben wir von osb-i das Tool Agile-Quick-Check entwickelt, das eine Momentaufnahme der aktuellen Situation der Organisation oder Teilen der Organisation ermöglicht, vor allem in Hinblick auf die unterstützenden und behindernden Faktoren bei der Einführung agiler Arbeitsformen.

Das Thema Agilität wird in Organisationen auf unterschiedliche Weise angegangen. Im Mittelpunkt steht aber immer der Wunsch nach mehr Flexibilität in der Zusammenarbeit, höherer Geschwindigkeit in der Lieferung von Ergebnissen und einer besseren Antwortfähigkeit auf die Herausforderungen durch die Digitale Transformation. Dabei unterscheiden sich die Organisationen in den jeweiligen Bedingungen für eine nutzenstiftende Einführung agiler Arbeitsweisen. Um diese Unterschiede

  • beobachtbar zu machen
  • sie zu erfassen
  • und sie besprechbar und bearbeitbar werden zu lassen

haben wir dieses Assessment Tool entwickelt.

Die Fragen, die mit dem Agile-Quick-Check maßgeblich beantwortet werden sollen, ergeben sich aus der jeweiligen Dimension. Zur Evaluierung haben wir dieses Instrument in einem Workshop mit 60 Teilnehemerinnen und Teilnehmern aus vielen unterschiedlichen Organisationen im Kongress "Manage Agile" 2018 erfolgreich pilotiert.

Der Agile-Quick-Check ist bei Kunden im Einsatz, die sich darauf vorbereiten, Agilität punktuell oder auch auf breiter Basis einzuführen.

Agile-Quick-Check als Methode zur Einschätzung organisationaler Agilität

Hendrikje Kühne, osb international, 2018

In dem eingangs beschriebenen Praxisfall wurde der Agile-Quick-Check als Methode zur Einschätzung organisationaler Agilität durchgeführt. Die Führung erwartet sich davon Aufschluss über folgende Fragen:

  • War der Erfolg zufällig?
  • Welches waren die Erfolgsfaktoren?
  • Wie können wir das, was passiert ist, verstetigen?

Um den Antworten auf die Spur zu kommen, haben wir im Rahmen des Agile-Quick-Checks einen guten Querschnitt der Mitarbeiter um ihre Einschätzung gebeten. Die Ergebnisse sahen wie folgt aus:

Als Erfolgsfaktoren konnten wir aufgrund der Ergebnisse (Mittelwerte) unter anderem die agile Haltung der Führung, die Möglichkeit der agilen Teams zu weitreichenden Entscheidungen und auch die gute Kommunikation und Kollaboration identifizieren.

Zentrale Erkenntnisse

Führung als Servant Leader

Der Führung ist es gelungen, ihr Selbstverständnis in der Entwicklungsabteilung (ca. 50 Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter und 10 Führungskräfte) neu zu justieren. Im Arbeitsalltag bedeutete das, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei vielem mehr Entscheidungsfreiheit zu geben, weniger Kontrolle auszuüben und sie mit großem Vertrauensvorschuss machen zu lassen. Dieses Selbstverständnis kam dem agilen Prinzip des „servant leader“, einer Führungskraft die sich als Enabler, als Moderator und als Coach versteht, sehr nah.

Auch formale Systeme bieten Spielräume

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben dieses verstärkt in sie gesetzte Vertrauen mit viel Kreativität und der Übernahme von Verantwortung und Entscheidungskompetenz honoriert. In einer Konferenz mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Abteilung wurde die Gelegenheit genutzt, das Ergebnis offen zu diskutieren und zu vergemeinschaften. Die möglichen Handlungsfelder wurden in kleinen Gruppen identifiziert und als Vorschläge formuliert.

Besonders intensiv wurde der Punkt „Formale Systeme“ diskutiert, bei dem es um die Notwendigkeit geht, Richtlinien, Gesetzte, Vorschriften einhalten zu müssen. Diese erweisen sich bei der schnellen und kreativen Umsetzung von Aufgaben oder Problemen oftmals als sehr hinderlich, da die Möglichkeiten zur flexiblen Handhabung dieser Eingrenzungen naturgemäß begrenzt sind. Dennoch konnten auch hier konkrete Handlungsspielräume entdeckt werden. So muss beispielsweise die Erstellung von Dokumentationen nicht im ersten Schritt bereits mehrsprachig und in allen Details vorliegen, sondern kann im Nachgang geliefert werden. Weiterhin wurden einige interne Anforderungen im Zuge des Projektes als „alte Zöpfe“ identifiziert und abgeschnitten.

Der Nachholbedarf bei der Vermittlung von Methodenkenntnissen konnte relativ schnell durch entsprechende Trainings befriedigt werden.

Erste Bilanz

Haupterfolgsfaktor für die neue Beweglichkeit und Kreativität in der Mitarbeiterschaft war die Annahme der neuen Rolle durch die Führungskräfte. Dadurch entstanden wie von selbst Empowerment und Lösungsorientierung auf der Mitarbeiterseite. Andererseits wurde aber auch deutlich, dass bremsende bürokratische Effekte, die sich durch aufwendige Dokumentationen und Formalismen ergeben, bestmöglich verhindert werden müssen.

Eine regelmäßige Bilanzierung über Retrospektiven mittels des Agile-Quick-Checks kann auf der gesamten Projektstrecke eine schnelle und wirksame Einschätzungsfähigkeit zum Status und zur Planung notwendiger, unterstützenden Maßnahmen liefern. Aktuell arbeiten wir an daraus ableitbaren Agilitätsindizes, um diese Reviews noch „sprechender“ zu gestalten.

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