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08. August 13

Prinz Friedrich von Homburg und die „brauchbare Illegalität“

In meinem letzten Blog habe ich im Zusammenhang mit der Informalität in Organisationen über Luhmanns Begriff der „brauchbaren Illegalität“ geschrieben. Nach Luhmann erfordert eine widerspruchsfreie formale Normordnung gerade zu ein gewisses Maß an sozialer Illegalität oder illegalem Verhalten.

Ein besonders schönes Beispiel für das Dilemma, in das die Leitung einer Organisation bei angestrebter Bestrafung einer brauchbaren Illegalität gerät, findet sich bei Heinrich von Kleist, das ich Schreyögg (2008, S 346) verdanke.

Der Kurfürst von Brandenburg hatte ausdrücklich seine Offiziere angewiesen, keinerlei Kampfhandlungen gegen die vorrückenden Schweden zu ergreifen, ehe nicht er, der Kurfürst, Order dazu erteilt habe. Der Prinz von Homburg ergreift jedoch spontan mit seinem Avantgarde Reiter-Corps eine günstige Gelegenheit und schlägt dadurch die Schweden triumphal bei Fehrbellin zurück. Der Kurfürst will den ungeheuerlichen Regelbruch nicht hinnehmen und verurteilt den Prinzen dem Reglement entsprechend zum Tode. Die Offiziere wollen diese Maßnahme jedoch keineswegs akzeptieren. Da hält ihnen der Kurfürst entgegen:

«Den Sieg nicht mag ich, der, ein Kind des Zufalls, mir von der Bank fällt; das Gesetz will ich, die Mutter meiner Krone, aufrecht halten, die ein Geschlecht von Siegen mir erzeugt! »

Obrist Kottwitz, der Sprecher der aufgebrachten Offiziere, entgegnet:

«Was kümmert dich, ich bitte dich, die Regel, nach der der Feind sich schlägt: wenn er nur nieder vor dir, mit allen seinen Fahnen sinkt? [...] Gesetzt, um dieses unberufenen Sieges, brächst du dem Prinzen jetzt den Stab; und ich, ich träfe morgen, gleichfalls unberufen, den Sieg irgendwo zwischen Wald und Felsen, mit den Schwadronen, wie ein Schäfer an: Bei Gott, ein Schelm müsst ich doch sein, wenn ich des Prinzen Tat nicht wiederholte».

Der Kurfürst befreit sich mit einer geschickten Volte aus dem Dilemma, in das er sich mit dem Todesurteil manövriert hatte. Er lässt den Prinzen wissen, wenn er der Meinung wäre, die Strafe sei ungerecht, so möge er sich als frei betrachten:

«Mein Prinz von Homburg, als ich Euch gefangen setzte, um Eures Angriffs, allzufrüh vollbracht, da glaubt ich nichts, als meine Pflicht zu tun; auf Euren eignen Beifall rechnet ich. Meint Ihr, ein Unrecht sei Euch widerfahren, so bitt ich, sagts mir mit zwei Worten – und gleich den Degen schick ich Euch zurück».

Der Prinz will diese Schmach nicht hinnehmen und erklärt öffentlich vor den Offizieren das Todesurteil für gerecht. Nun, da die formale Ordnung wieder hergestellt ist, kann der Kurfürst ihn begnadigen.

Dieses Beispiel aus der klassischen Literatur verdeutlicht auch die Schwierigkeit im Umgang mit der brauchbaren Illegalität. Der Kurfürst kann den offensichtlichen Bruch der Systemtreue nicht tolerieren wegen der Folgewirkungen, den ein solcher unsanktionierter Treuebruch für das gesamte System hätte. Doch durch die Form, wie er diese Illegalität handhabt, können die formalen Regeln erhalten bleiben.

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