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13. Juli 21

Der schwierige Teil bei Veränderungen: Die Trennungskultur

Changevorhaben sind nicht selten verbunden mit Personalveränderungen. Der Grund: Einzelne Mitarbeitende können oder wollen bei den avisierten Veränderungen nicht mitgehen, oder der Personalabbau ist integraler Bestandteil des Changevorhabens. Die Erfahrung zeigt, dass die Art und Weise, wie sich ein Unternehmen von seinen Mitarbeiter*innen trennt, entscheidend für die Stimmung und Motivation in der gesamten Belegschaft sein kann.

Die wirksame Umsetzung von zukunftssichernden Veränderungen hängt sehr oft an den sozialen Dynamiken: eine positive Grundstimmung, Motivation und das Vertrauen der Belegschaft in die gesetzten Maßnahmen sind maßgeblich für den Erfolg. Vertrauen ist ein hoch zerbrechliches Gut. Trennt sich ein Unternehmen im Rahmen eines Veränderungsprojektes von einem oder mehreren Mitarbeitenden, so wird das Vertrauen der gesamten Belegschaft auf die Probe gestellt. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob jemand aufgrund einer anstehenden Veränderung in der Organisationsstruktur gehen muss oder sich aus freien Stücken verabschiedet, weil er oder sie die Veränderung als solche nicht mitträgt. Die Zuversicht in die Veränderung steht auf dem Spiel.

Sobald eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass Mitarbeiter*innen im Rahmen des Veränderungsprojektes das Unternehmen verlassen werden, sind folgende Fragen zu klären, um das Risiko eines breiten Vertrauensverlustes durch misslungene Trennungsprozesse zu minimieren:

  1. Was sollen die abgehenden Mitarbeiter*innen über das Unternehmen sagen?
  2. Wie sollen die involvierten Führungskräfte den Trennungsprozess beschreiben?
  3. Was soll im Unternehmen von den verbleibenden Mitarbeitenden erzählt werden?
  4. Wie soll die Außenwirkung auf Kunden, Lieferanten oder Wettbewerber sein?

Wenn man sich dem Thema Trennungsmanagement durch die Beantwortung dieser Arbeitsfragen nähert, entsteht schnell ein guter Rahmen für die anstehenden Maßnahmen. Oft werden dabei Werte wie Fairness, Wertschätzung, Menschlichkeit, Respekt, Verantwortung für Mitarbeiter*innen, Reputation für das Unternehmen beschrieben.
Die Trennungskultur wird zur Herausforderung für das Veränderungsprojekt und die gesamte Organisation, auch wenn nur wenige Mitarbeitende davon direkt betroffen sind.

Nur wenige verlassen das Unternehmen - braucht es dann Vorbereitung?

Obwohl nur Einzelne das Unternehmen verlassen, entsteht eine scharfe Trennung zwischen denen, die bleiben (dürfen) und denen, die gehen (müssen oder wollen). Aufhebungsverträge und New-Placement-Beratung gehören mittlerweile zum Industriestandard in der Begleitung der betroffenen Mitarbeiter*innen. Trennungsprozesse brauchen aber zusätzlich eine klare und transparente Kommunikationsunterstützung, um die Unsicherheit im Unternehmen auf ein Minimum zu reduzieren und die Deutungshoheit der Führungsmannschaft sicherzustellen. Nur weil schwierige Themen wie z.B. Existenzängste, Trauer oder Wut nicht kommunikativ aufgegriffen werden, sind sie ja nicht weg! Trennungsmanagement sollte nicht einfach an den Personalbereich delegiert oder gar zu einer reinen Verhandlungssache zwischen Anwälten reduziert werden.

Die Führungskräfte brauchen mehr als nur arbeitsrechtliche Vorbereitung

Das Gelingen der Trennungsgespräche ist der wohl wichtigste Meilenstein bei Personalabbau. Die Führungskräfte sollten die arbeitsrechtlichen Implikationen und die Regelungen des Aufhebungsvertrages kennen. Gemeinsame Workshops zu Themen wie "Das Überbringen schlechter Nachrichten", "Konfliktgespräche", "Angst" und die Erarbeitung von Gesprächsleitfäden gehören mittlerweile planmäßig zur Vorbereitung. Sehr effektiv sind Einzelcoachings für diejenigen Führungskräfte, die in ihrem bisherigen Führungsalltag wenige oder negative Erfahrungen gemacht haben, sowie eine detaillierte Vorbereitung auf die spezifischen Situationen der zu kündigenden Mitarbeiter*innen. Nichts ist schlimmer für eine Führungskraft, als unvorbereitet im Trennungsgespräch von der tiefen Frustration der Mitarbeiter*in über die anstehenden Veränderungen im Unternehmen zu erfahren.

Die Teams erleben die Trennungsphase sehr intensiv

Die gekündigten oder zu kündigenden Mitarbeiter*innen verlassen nicht nur das Unternehmen. Sie verlassen auch ihr Team und langjährige Kollegen*innen. Meist gehen sie ja nicht von einem Tag auf den anderen, sondern bleiben noch für eine gewisse Zeit im Unternehmen. Teams stehen in dieser Zeit oft vor einer großen Herausforderung: Aufgaben und Verantwortungen müssen für die zukünftig geänderte Organisation neu verteilt werden, während scheidende Mitarbeiter*innen möglicherweise ihren ganzen Frust ablassen. Teams sollten darin unterstützt werden, offensiv an diesen Herausforderungen zu arbeiten. Sprachlosigkeit im Team verhindert eine gemeinsame Bearbeitung.

Der Moment des Abschiednehmens ist ein wichtiger Meilenstein

Der Wechsel von vielleicht langjährigen Mitarbeiter*innen in eine neue berufliche Phase (oder zunächst in die Arbeitssuche) ist nicht einfach und bedarf einer klaren Markierung. Die Ermunterung der Teammitglieder diesen Übergang angemessen zu gestalten, setzt regelmäßig Kreativität frei und liefert überraschende Zeichen der Wertschätzung. Ein kleines Abendessen im Kreis der langjährigen Kolleg*innen, ein Fotoalbum mit persönlichen Dankesbriefen oder ein Empfehlungsportfolio, erstellt von den Kollegen*innen sind nur einige Beispiele und ermöglichen allen Betroffenen einen wertschätzenden Abschied voneinander. Vor allem sehen auch die verbleibenden Mitarbeitenden, wie wichtig dem Unternehmen ein wertschätzender Umgang gerade auch in schwierigen Situationen ist. Es ist ein Zeichen von fehlender Wertschätzung, wenn gekündigte Mitarbeiter*innen einfach so aus dem Unternehmen verschwinden (müssen).

Zukunftssichernde Veränderungen in Unternehmen bedingen oft personelle Veränderungen. Die Art und Weise wie diese Trennungen gestaltet sind, kann entscheidend für die Akzeptanz der ganzen Veränderung sein - ganz gleich ob Mitarbeitende das Unternehmen verlassen, weil sie mit den Veränderungen nicht einverstanden sind, oder ob sie gehen müssen, weil nach der Veränderung keine Aufgabe mehr für sie da ist.

Literatur:

  • Laurenz Andrzejewski: "Trennungs-Kultur und Mitarbeiterbindung", 2008
  • BCG: Die Krise überwinden - Fünf Erfolgsfaktoren für die neue Realität / CEO-Leitfaden für Personalveränderungen in Transformationen, 2020
  • Jake Adams, system worx: erfolgreiches Trennungsmanagement - eine Frage der Kultur, Whitepaper, 2020

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